Kreuzfahrten liegen weiterhin voll im Trend. Weltweit werden 2019 rund 30 Millionen Passagiere erwartet. Die Werften arbeiten mit Hochdruck; rund 20 große Kreuzfahrtschiffe sollen in diesem Jahr noch vom Stapel laufen. Der Boom setzt sich also fort. Bleibt die Frage, welche Rechte die Teilnehmer an einer Kreuzfahrt haben. Der ARAG Rechtsexperte Tobias Klingelhöfer kennt die Antworten.

Herr Klingelhöfer, Wenn die Anreise – wie jetzt zum Beispiel durch die Germania-Insolvenz – ins Stocken gerät, wer muss dann haften?

RA Tobias Klingelhöfer: Haben Urlauber einen Germania-Flug zum Kreuzfahrtstart selbst gebucht, haben sie leider schlechte Karten und aufgrund der Gesetzeslage bedauerlicherweise keinen Anspruch auf Ersatzbeförderung. Wurde der Flug allerdings im Pauschal-Paket mit der anschließenden Kreuzfahrt gebucht, können die Reisenden den anderweitigen Transport vom Anbieter verlangen. Der muss dann für einen Ersatzflug sorgen.

Hilft eine Reiserücktrittsversicherung wenn einen so eine Pleite unterwegs erwischt?

RA Tobias Klingelhöfer: Leider kaum! Wer eine Reise erst einmal angetreten hat, kann eine bestehende Reiserücktrittsversicherung nicht mehr auf Erstattung des Reisepreises in Anspruch nehmen. Dies gilt auch bereits bei der Anreise, wenn diese Bestandteil des Reisevertrags ist. Eine Reise gilt als angetreten, wenn die erste gebuchte Reiseleistung zumindest teilweise in Anspruch genommen wurde. Danach greift nur noch eine Reiseabbruchversicherung.

Aber bei Krankheit tritt eine solche Versicherung doch ein, oder?

RA Tobias Klingelhöfer: Stellt sich vor Reisebeginn eine ernste Erkrankung ein, sollte die gebuchte Kreuzfahrt umgehend storniert werden. Je früher dies geschieht, desto geringer sind in aller Regel die Stornokosten. Die übernimmt dann auch eine Reisekostenrücktrittsversicherung. Das lohnt sich also besonders, wenn eine teure Kreuzfahrt längere Zeit im Voraus geplant und gebucht wird.

Und wer auf hoher See krank wird?

RA Tobias Klingelhöfer: Eine Erkältung oder ein verstauchter Fuß gefährden die Erholung an Deck kaum und die ärztliche Versorgung ist auf den modernen Kreuzfahrtschiffen durchweg gut. Wer auf hoher See allerdings schwer erkrankt, muss die Kreuzfahrt abbrechen, denn Spezialbehandlungen und größere Operationen sieht die Betreuung durch den Schiffsarzt nicht vor. Bei besonders akuten Fällen werden Patienten per Hubschrauber an Land in ein Krankenhaus gebracht. Die daraus entstehenden Kosten sind unter Umständen sehr hoch. Darum rate ich immer zu einer gesonderten Auslandsreisekrankenversicherung, die auch den Abbruch der Reise und den Not- sowie Heimtransport abdeckt.

Und wer haftet, wenn man bei starkem Seegang stürzt?

RA Tobias Klingelhöfer: Bei schwerer See heißt es für die Besatzung „Eine Hand fürs Schiff, die andere für sich selbst“. Aber auch Passagiere müssen sich dann gut festhalten. Stürzen sie und verletzen sich dabei, haften sie selbst. In dem konkreten Fall war ein älterer Reisender bei starkem Seegang im Bad seiner Kabine so schwer gestürzt, dass er an den Landausflügen nicht mehr teilnehmen konnte und eine Langzeit-Schmerztherapie benötigte. Er verklagte daraufhin den Reiseveranstalter auf Schadensersatz, jedoch ohne Erfolg. Das Argument der Richter: Haltegriffe beispielsweise im Bad seien weder üblich noch gesetzlich vorgeschrieben. Zudem habe die Besatzung wiederholt über Lautsprecher darauf hingewiesen, sich gut festzuhalten (LG Bremen, Az.: 7 O 124/03).

Ein anderer Fall: Der Urlauber ist gesund und pünktlich an Bord, nicht aber sein Gepäck. Was dann?

RA Tobias Klingelhöfer: Gelangt Reisegepäck erst verspätet auf das Kreuzfahrtschiff, kann der Reisepreis pro Reisetag um 30 Prozent gemindert werden. Ein Ehepaar buchte in einem konkreten Fall eine Mittelmeerkreuzfahrt ab Genua einschließlich An- und Abreise. In Genua angekommen stellte es fest, dass die Koffer, die es am Flughafen aufgegeben hatte, nicht eingetroffen waren. Wegen dieser Beeinträchtigung minderten die Reisenden den Reisepreis für die fünf Tage bis zum Eintreffen des Gepäcks. Ein Schadensersatz für entgangenen Urlaubsgenuss konnten sie allerdings nicht geltend machen (AG München, Az.: 132 C 20772/08).

Und wenn das Kreuzfahrtschiff gar nicht so aussieht wie erhofft?

RA Tobias Klingelhöfer: Das ist einer ganzen Familie passiert. Sie buchte eine Kreuzfahrt auf einem „Motorsegelschiff“ in der Hoffnung, dass sich die Angaben im Reisekatalog, welcher gelegentliches Segeln „je nach Ausstattung der Schiffe und Wetterlage“ versprach, erfüllen würden. Die Enttäuschung war groß, als die Urlauber feststellen mussten, dass das Schiff gar keine Masten hatte, so dass selbst bei bestem Wind ein Segeln unmöglich war. Als kleinen Trost bekamen die Reisenden nach Rückkehr von den Richtern eine 15-prozentige Reiseminderung zugesprochen. Mehr Rückerstattung war nicht möglich, da ein aufmerksamer Leser aus der Beschreibung ersehen muss, dass ein reines Segelschiff nicht zu erwarten war. Da die Urlauber aber davon ausgehen durften, dass wenigstens ab und zu gesegelt werden würde, war durch die fehlenden Segel ein Reisemangel gegeben (AG Hamburg, Az.: 18 B C 467/99).

Gibt es auch Geld zurück, wenn die Kabine nicht das hält, was der Prospekt verspricht?

RA Tobias Klingelhöfer: Das kommt auf den Einzelfall an. Zwei Beispiele: Im ersten Fall war eine Außenkabine mit eigenem Balkon gebucht. Doch vor Ort musste das reisende Ehepaar feststellen, dass es zwar in einer Außenkabine untergebracht war, die auch noch komfortabler als die gebuchte Kabine war. Aber statt eigenem Balkon gab es lediglich Zugang zu einer kleinen Sonnenterrasse, die auch Mitreisenden zur Verfügung stand. Das Ehepaar beharrte also auf Umzug. Doch mit einem eigenen Balkon konnte der Reiseveranstalter nicht dienen. Die enttäuschten Kreuzfahrer zogen nach der Reise vor Gericht und erhielten eine Erstattung von zehn Prozent des Reisepreises. Denn die vertraglich vereinbarte Leistung hatte der Veranstalter nicht erbracht. Und das Upgrade in eine größere Außenkabine ohne Balkon kann nicht als adäquater Ersatz oder gar Wiedergutmachung gewertet werden. Zudem hat das Ehepaar extra einen Reisepreis-Tarif gewählt, bei dem nicht dem Veranstalter die Auswahl der Kabine überlassen wird, sondern allein dem Buchenden (Amtsgericht Rostock, Az.: 47 C 180/15).Ganz anders der zweite Rechtsstreit: Dabei ging es um Motorengeräusche in der Kabine. Passagiere einer Kreuzfahrt müssen nämlich gewisse Unannehmlichkeiten hinnehmen. Dazu gehören neben Diesel- und Küchengerüchen auch Motorengeräusche. Letztere sind auf einem Schiff zu erwarten und inwieweit sie als störend empfunden werden, hängt vom individuellen Empfinden der Reisegäste ab. Ein Mangel liegt nur vor, wenn ein über dem Geräuschpegel bei Normalbetrieb hinausgehender Lärm verursacht wird, beispielsweise durch einen Schaden am Motor (AG München, Az.: 242 C 16587/07).

Ist denn die Änderung der Reiseroute mit dem Ausfall von geplanten Landgängen ein Reisemangel?

RA Tobias Klingelhöfer: Natürlich liegt mit einem ausgefallenen Stopp und damit auch der geplanten Ausflüge ein klarer Reisemangel vor. In der Regel können Reisende den Reisepreis für den betreffenden Tag um 50 Prozent mindern. Doch höhere Minderungen oder gar Schadensersatzansprüche sind nur in Ausnahmefällen drin. In einem konkreten Fall wurde aufgrund der angespannten politischen Lage in Ägypten der Hafen Port Said während einer siebentägigen Kreuzfahrt im Juni 2013 nicht angesteuert. Stattdessen legte das Kreuzfahrtschiff in Aschdod in Israel an. Zwei Kreuzfahrtreisende waren damit aber unzufrieden. Aufgrund der Unannehmlichkeiten zahlte die Reiseveranstalterin an die beiden einen Betrag von 200 Euro. Die beiden hielten dies jedoch für zu wenig und klagten auf Reisepreisminderung in Höhe von 60 Prozent sowie auf Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude. Das Amtsgericht Rostock entschied gegen die Kläger. Der Gesamtreisepreis der Reise hat 2.298 Euro betragen. Das ergibt einen Tagespreis von 328,26 Euro. Die geforderten 60 Prozent des Tagesreisepreises haben somit unter dem bereits gezahlten Betrag von 200 Euro gelegen. Da der Charakter der Reise als Mittelmeerkreuzfahrt nicht beeinträchtigt worden ist, bestand außerdem auch kein Anspruch auf Schadensersatz (AG Rostock, Az.: 47 C 243/13). Wird die Route allerdings aus Sorge vor terroristischen Übergriffen geändert, ist keine Reisepreisminderung möglich, da es sich nicht um eine willkürliche Änderung handelt. In einem solchen Fall muss ein entsprechender Vorbehalt jedoch in den AGB stehen (Landgericht Hannover, Az.: 12 S 65/02).

Quelle: ARAG