Topbonus im Strudel der Air Berlin-Insolvenz

Air Berlin Flieger in Berlin - Foto: Flying Media

Stefan Höhm (sh): Psychologen wollen zwei grundsätzliche Verhaltensweisen bei Managern, deren Unternehmen in Schwierigkeiten geraten ist, erkannt haben: die einen verfallen in mehr oder weniger blinden Aktionismus, die anderen ignorieren das Problem und machen so weiter, als sei alles in bester Ordnung. Anton Lill, Geschäftsführer der topbonus Ltd. gehört wohl zur 2. Sorte.

Topbonus, das war (oder ist?) das einst so erfolgreiche Bonusmeilenprogramm der Fluggesellschaft Air Berlin. Nach deren Insolvenz Mitte August versicherte Topbonus, dass man als eigenständiges Unternehmen davon nicht betroffen sei, auch wenn Air Berlin 30% und die arabische Fluggesellschaft Etihad 70% der Anteile halte. Etihad war übrigens der größte Anteilseigner bei Air Berlin und drehte ihr den Geldhahn zu, wonach es zum Insolvenzantrag kam.

Das Management von Topbonus beruhigte also die Kunden und sprach zunächst nur davon, dass das Meilen sammeln und einlösen solange „ausgesetzt“ sei, bis man „Klarheit über die Situation“ habe. Sofern die mit der von der Landesbank Berlin herausgegebenen Air-Berlin-Kreditkarte solche Transaktionen getätigt würden, die bisher zu Bonusmeilen führten, so würden diese Bewegungen registriert, die Gutschrift solle dann später erfolgen, wenn alles wieder im Lot sei. Motto: alles nicht so schlimm, wird schon weitergehen, wir haben das im Griff.

Klarheit über die „Situation“ gab es für das Management von Topbonus am 25. August dann insoweit, als auch dieses Unternehmen vom Sog der Air Berlin-Pleite erfasst wurde und selbst Insolvenz anmelden musste. Diese –vermeintlich – schlechte Nachricht teilte eine Sprecherin von Topbonus mit. 4,3 Millionen Kunden und 55 Angestellte waren geschockt.

Das Management von Topbonus befindet sich derweil immer noch im Guten-Wetter-Modus. Einer unserer Kollegen, zu seinem bürointernen Leidwesen einer der Bonusmeilensammler bei Topbonus, erhielt eine von Geschäftsführer Prill unterzeichnete Mail, die jedes noch so starke Beruhigungsmittel in den Schatten stellt. Danach habe das Topbonusprogramm weiter Bestand, Air Berlin und die Partnerairlines gewährten weiter Statusvorteile, die von der Landesbank Berlin herausgegebene Kreditkarte behielte nicht nur ihre volle Gültigkeit, sondern locke im September sogar mit einem Angebot von 5% cashback auf die getätigten Umsätze, man könne weiterhin Meilen sammeln und der Kundenservice sei via Telefon und Mail „wie üblich“ erreichbar. Ob sich diese „Üblichkeit“ auf die schlechte Erreichbarkeit seit Mitte August bezieht, wurde nicht mitgeteilt.

Ob dieser rosaroten Worte läuft man fast Gefahr die Erwähnung zu übersehen, dass die Einlösemöglichkeiten für die Meilen derzeit vollkommen unklar sind, man aber an einem dafür „tragfähigen Weg“ und „Zukunftskonzept“, so dass im „Idealfall“ keine Meile verlorengeht, wie es in dem Schreiben heißt. Starke Worte, wenn man bedenkt, dass sich im Satz zuvor noch das Wort Insolvenzverwalter genannt werden muss.

Ist Topbonus nur eine leere Hülle?

Die Frage, die sich nicht nur viele Kunden von Topbonus stellen, ist, was ein Unternehmen überhaupt wert ist, wenn es Bonusmeilen verbucht und man dafür dann geldwerte Gegenleistungen Anspruch nehmen kann. Etihad zahlte 2012 immerhin 200 Mio. € an Air Berlin, um 70% der Anteile von Topbonus zu bekommen. Heute stellt sich natürlich die Frage, ob dieser Preis überhaupt marktgerecht war, denn als Hauptanteilseigner von Air Berlin war diese Zahlung zumindest in gewisser Weise ein Insichgeschäft von Etihad, bei dem die Gesetze des Marktes nicht mehr unbedingt gelten müssen. Zudem darf nicht übersehen werden, dass mit Air Berlin der alles dominierende Partner weggefallen ist.

Dennoch hätte die Insolvenz von Topbonus wohl verhindert werden können, nämlich dann, wenn für die angesparten Prämienansprüche entsprechende Rücklagen gebildet worden wären. Das ist aber anscheinend nicht passiert. Das Geschäftsmodell von Topbonus funktionierte so, dass man Meilen an Air Berlin verkaufte, die diese an ihre Kunden vergeben konnte. Diese Meilen wurden jedoch nicht direkt von Air Berlin mit Geld bezahlt, sondern Topbonus verbuchte stattdessen Forderungen gegenüber Air Berlin, in der Annahme, dass diese Forderungen mit künftigen Air-Berlin-Prämienflügen, der attraktivste Einsatz der Bonusmeilen, verrechnet werden würden. Aber genau das ist mit der Insolvenz nicht mehr möglich.

Hier greift wieder das eingangs angesprochene Verhalten in Krisenszenarien. Der jahrelange Sinkflug der Air Berlin hätte bei Topbonus zum Anlass genommen werden müssen, das Geschäftsmodell zu hinterfragen und ggf. neu zu justieren, in dem man z.B. Rückstellungen aufbaut. Nun hat man aber nicht mehr nur kein Geld, sondern auch Millionen von verunsicherten Kunden, die ihre Bonusmeilen umgehend retten wollen und z.B. in Gutscheine bei externen Partner wie Ikea oder Amazon einlösen wollen. Man muss kein Hellseher sein, dass die Kunden von Topbonus ihre gesammelten Punkte möglichst schnell versuchen werden, diese in irgendeinen Gegenwert umzutauschen, sofern dafür irgendwann mal die Möglichkeit bestehen sollte. Kundenvertrauen, auf das man bauen kann, gibt es nicht mehr.

Somit stellt sich auch die Frage, inwiefern vom Management Straftatbestände erfüllt wurden, wenn man den eigenen Kunden gegenüber als „eigenständiges Unternehmen“ auftritt, zugleich aber keinerlei Rücklagen für die versprochenen Angebote hat und so lange Zeit Bonusmeilen ausgegeben hat.

Psychologen halten es im übrigen für grundsätzlich keine schlechte Eigenschaft, wenn Führungskräfte bei sich aufzeigenden Problemen nicht sofort in blinden Aktionismus verfallen, sondern mit einer gewissen Besonnenheit die Lage analysieren und dann mit einem gewissen Hintergrund Dinge ändern. Vielleicht machen die Wissenschaftler bald aber auch eine neue, dritte Spezie von Managern aus: diejenigen, die nicht einmal dann etwas ändern, wenn es das Unternehmen schon gar nicht mehr gibt.