Was ist los bei Ryanair? – Eine Spurensuche

Ryanair in Bratislawa - Foto: Flying Media Hungary

In diesem Herbst wurden von der irischen Raynair tausende Flüge gestrichen. Die naheliegende Vermutung, Ursache hierfür könnten Engpässe bei den Piloten sein, wies der exzentrische Ryanair-Chef  O’Leary jedoch stets zurück. Was aber ist dann der Grund für die massenweisen Flugabsagen?

Da die Absagewelle mit dem Absturz des insolventen Billiganbieters Air Berlin einherging, vermutete man in Fachkreisen, dass die Iren Flugstunden aufsparen wollen, um bei der endgültigen Zerschlagung des deutschen Wettbewerbers Air Berlin sofort einspringen zu können. Hierbei wäre es vor allem um die wertvollen Start- und Landerechte gegangen. Offiziell begründete Ryanair die mehr als 20.000 Absagen zwar damit, dass man sich bei der Dienst- und hierbei insbesondere bei der Urlaubsplanung der Piloten „vermacht“ habe. Das dürfte aber in diesem Umfang kaum zutreffen, sind sich Experten einig.

Auch der Aktienkurs tendierte seit Mitte August dazu, ein wenig „Luft zu holen“, was aber angesichts des langfristigen Aufwärtstrends immer mal wieder vorkommt. Börsenexperten nennen das dann „technische Reaktion“, die Hälfte der 20% Kursverluste sind auch schon wieder aufgeholt. Die Marktteilnehmer schienen schon im Vorfeld des Zahlenwerks für das 3. Quartal zu ahnen, dass es zwar einen Umsatzanstieg, gleichzeitig aber einen Gewinnrückgang geben würde. Grund hierfür waren eben auch die durch die Streichungen fälligen Entschädigungszahlungen.

In der 3. Novemberwoche ließ eine Meldung  aufhorchen, wonach Ryanair in diesem Jahr bereits 1.000 Piloten einstellte, 40 davon allein an einem einzigen Tag Mitte des Berichtsmonats. In der Branche munkelt man von bis zu 10.000 € Antrittsprämie für neue Flugkapitäne.

Seitens der Piloten droht Ryanair nun aber auch anderes Ungemach. Bisher lehnte Ryanair Verhandlungen mit Gewerkschaften zwar stets ab, nun aber haben sich die deutschen Flugzeugführer mit Hilfe der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) in einer Tarifkommission organisiert – das ist quasi der Aufruf zu Gehaltsgesprächen. Zu den nun professionellen Verhandlungsführern gehört u.a. auch VC-Tarifexperte Ingolf Schumacher, der den bekanntlich harten und für die Arbeitnehmer erfreulichen ausgegangenen Tarifkonflikt bei der Lufthansa mit ausgefochten hat.

Ryanair möchte erwartungsgemäß darauf nicht eingehen und verweist darauf, dass man weiterhin mit lokalen Pilotenvertretungen verhandeln werde, was vom Obersten Gerichtshof Irlands als rechtmäßig eingestuft wurde. Damit stellt sich die Frage, wie lange es sich Ryanair in einem sich konsolidierenden Flugmarkt – neben Air Berlin haben in diesem Jahr in Europa auch Alitalia und die britische Monarch die Flügel gesenkt – noch leisten kann.

Dass Ryanair-Mitarbeiter unzufrieden sind, lässt sich in den Geschäftsberichten der Aktiengesellschaft regelmäßig (indirekt) nachlesen, denn die Fluktation ist hier konstant höher als anderswo. Viele Piloten sind nicht festangestellt, sondern – zumindest auf dem Papier – Selbständige. Im Schnitt bleibt ein Pilot nur vier Jahre bei Ryanair. Wenig Argumente auf einem Markt, in dem eher ein Pilotenmangel herrscht.

Auch die Flugbegleiter können in ihren Arbeitspapieren nachlesen, was es heißt, nach irischem Recht zu arbeiten: kürzere Kündigungsfristen, weniger Urlaubstage, Leiharbeit als Dauerstellung. Angeblich gehören auch Lohndumping und Knebelverträge dazu, wonach Arbeitskämpfe mit schlechteren Arbeitszeiten und Wegfall von Boni „bestraft“ werden. Aber die letzten Punkte werden von den Iren bestritten und zugleich als Grund angegeben, nicht mit deutschen Gewerkschaften zu verhandeln. Die deutsche Kabinengewerkschaft Ufo hatte das Unternehmen nämlich kürzlich zu Verhandlungen für 1.000 Flugbegleiter aufgefordert, da die gestellten Bedingungen in Deutschland schlichtweg illegal seien. Ganz aus der Luft gegriffen scheinen die Behauptungen der Arbeitnehmervertreter nicht: wie sich aus den Geschäftsberichten ergibt, hat Ryanair 40% weniger Personalkosten als die Lufthansa und immer noch 20% weniger als deren Billgtochter Eurowings.

Langsam scheint sich das Blatt nun wirklich in Richtung Arbeitnehmer zu wenden. So haben die Piloten nach einem Urteil des europäischen Gerichtshof das Recht, an ausländischen Standorten vor nationalen Arbeitsgerichten zu klagen.